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Prof. Dr. Dr. Dres. h.c. Michael WelkerForschungsschwerpunkte

1. Biblische Theologie

Schöpfungslehre, Christologie, Pneumatologie, Anthropologie, Eschatologie, Gesetz und Evangelium

Seit den 80iger Jahren hat sich vor allem in Deutschland und in Nordamerika eine interdisziplinäre und interkonfessionelle Zusammenarbeit entwickelt, in deren Zentrum das Projekt einer ‚Biblischen Theologie’ steht. Die neueren Ansätze lösen sich dabei von früheren Versuchen, eine einzige Form – z. B. den Personalismus, die existentialistische Interpretation, die Sozialkritik – oder ein einziges Thema – z. B. Versöhnung, Bund, Gottesherrschaft, Heiligkeit Gottes – als ‚die’ Form oder ‚den’ Inhalt der biblischen Überlieferungen herauszuheben. Es handelt sich also um bewusst pluralistische Ansätze, die die verschiedenartigen biblischen Überlieferungen mit ihren kontinuierlichen und diskontinuierlichen, miteinander verträglichen und miteinander nicht direkt vermittelbaren Erfahrungen von Gott und Erwartungen an Gott ernst nehmen. Dem entspricht eine veränderte Wahrnehmung des biblischen Kanons. Die Zeugnisse von Gottes Gegenwart als Schöpfer, Geist und in Gestalt des Gekreuzigten und Auferstandenen sowie die Gottesbilder, die diesen Zeugnissen entspringen, folgen nicht einer dominanten Leitabstraktion, einer alles umfassenden ‚Idee von Gott’ als Subjekt, Substanz, Sein o. ä.; vielmehr erscheinen sie von Anfang an in den differenzierten Form- und Imaginationszusammenhängen von Gesetz, Prophetie, Weisheit und Evangelium. Nur wenn sich die Theologie der kanonisch strukturierten Vielfalt des Denkens und Redens von Gott bewusst wird, ist sie in der Lage, das Gewicht und die Orientierungskraft ihrer komplexen Themen und Begriffe wieder zur Geltung kommen zu lassen, die von ‚natürlichen’ und sog. ‚philosophischen’ Theologien zugunsten trügerischer reduktionistischer Klarheit verschliffen wurden.

Nach mehreren Veröffentlichungen zur Schöpfungstheologie, Pneumatologie, Eschatologie und Christologie liegt der Schwerpunkt der Arbeit zur Zeit auf den Themenkomplexen „Gottes Gerechtigkeit“ und theologische Anthropologie.

Publikationen

  • M. Welker, Theological Realism and Biblical Theology, in: Heinrich Assel, Stefan Beyerle u. Christfried Böttrich (Hg.), Beyond Biblical Theologies, WUNT 295, Tübingen: Mohr Siebeck 2012, S. 483-493.
  • M. Welker, Gottes Offenbarung. Christologie, Neukirchen-Vluyn, Neukirchener Verlag, 3. Aufl. 2016.
  • M. Welker, Gottes Geist. Theologie des Heiligen Geists, Neukirchen-Vluyn, Neukirchener Verlag, 6. Aufl. 2015.

2. Theologie im Dialog mit Natur- und Kulturwissenschaften

Die Theologie steht im Blick auf ihre Denk- und Sprachformen beständig im Dialog mit anderen Erkenntnissystemen wie den Natur- und Kulturwissenschaften, der Philosophie, aber auch dem Common Sense. Erkenntnis lässt sich verstehen als Gewinn von Wirklichkeit erschließenden Leitabstraktionen. Es geht darum, die Fülle und Komplexität all dessen, was wir als ‚Wirklichkeit’ bezeichnen, in einer Weise zu elementarisieren, die unserem Erkennen und Handeln konkrete Orientierungen gibt.

Zu diesem Zweck wurden in den letzten Jahren mehrere international und interdisziplinär ausgerichtete Forschungsprojekte durchgeführt und zur Publikationsreife gebracht:

Flesh – Body – Mind – Soul – Spirit: The Depth of the Human Person

Was das Menschenbild der Moderne anbelangt, ist die Vorstellung, dass das Individuum als selbstbewusstes, sich aufgrund seiner Verstandesfähigkeiten beständig selbst definierendes ‚Subjekt’, als ‚autonome Person’ aufzufassen sei, eine Leitabstraktion, die weit über die Aufklärung hinaus überaus wirksam geblieben ist. Auch die moderne Theologie ist vielfach von der Orientierung an diesem Verständnis von Subjektivität und Personalität geprägt – und zwar nicht nur im Blick auf ihr Menschenbild: Auch die trinitarische Personalität Gottes wurde mit Hilfe dieser Denkformen beschrieben. Innerhalb der gegenwärtigen trinitätstheologischen Diskussionen wird allerdings zunehmend kritisch hinterfragt, ob das moderne Personverständnis gemessen an den biblischen und altkirchlichen Überlieferungen die Trinitätslehre nicht verzerrt darstellt.

Um die Möglichkeiten eines Verständnisses von Person auszuloten, das interdisziplinär tragfähig ist und Orientierung bietet, haben in dem Forschungsprojekt „Flesh – Body – Mind – Soul – Spirit: The Depth of the Human Person“ Exegeten, Systematiker, Philosophen und Musik- und Naturwissenschaftler aus Deutschland, den USA, der Schweiz, England, Schottland und Indien über fünf Jahre hinweg Personkonzepte aus verschiedenen Wissensbereichen auf ihre Tragfähigkeit und interdisziplinäre Übersetzbarkeit hin überprüft. Dabei konnte u. a. die besondere Realistik der Anthropologie des Paulus rekonstruiert werden.

Concepts of Law in the Sciences, Legal Studies and Theology

Im Forschungsprojekt „Concepts of Law in the Sciences, Legal Studies and Theology“ wurden Analogien und Differenzen zwischen den verschiedenen Gesetzeskonzeptionen in der Rechtswissenschaft, den Naturwissenschaften und der Theologie herausgearbeitet, um zu prüfen, ob es interdisziplinär verwendbare Gesetzesbegriffe gibt. Dabei wurden erstmals in den Dialog von Theologen und Naturwissenschaftlern auch Juristen und Rechtshistoriker einbezogen.

Das Forschungsprogramm greift zwar Anliegen der Naturrechtsdebatte auf, geht aber im Gegensatz zum Programm Joseph Ratzingers davon aus, dass die von ihm erwünschte kritische Partnerschaft von „Vernunft und Religion“ nicht im Gespräch zwischen Theologie und Philosophie allein hergestellt werden kann und schon gar nicht, indem man einen Szientismusverdacht gegenüber der Wissenschaft als solcher kultiviert oder die wissenschaftliche Rationalität pauschal für globale technologische und politisch-ideologische Selbstgefährdungen verantwortlich macht. Exemplarische Diskurse mit verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und ein Eingehen auf ihre Methoden und Denkformen sind für ein Gedeihen der Partnerschaft von „Vernunft und Religion“ unverzichtbar. 

The Standardized Monetisation of the Market and the Impact on Religion, Politics, Law, and Morals

Wie verändern sich Religion, Politik, Recht und Moral, wenn Geld für alle wirtschaftlichen Kommunikationsprozesse eingeführt wird? In diesem mehrjährigen Projekt bearbeiteten Theologen, Ökonomen, Juristen, Politologen, Ethiker und Historiker aus Deutschland, der Schweiz, Schottland, Italien, Südafrika, den USA und China diese Frage. Mit Hilfe von Exegeten und Altertumswissenschaftlern wurde ausgeleuchtet, wie die Einführung von Geld für alle wirtschaftlichen Transaktionen große Umstellungen von Kulturen und Gesellschaften bewirkt. Dieser Wandel vollzieht sich ca. 600 v. Chr. in Griechenland, 500 v. Chr. in Palästina. Bei der Untersuchung spielen biblische Zeugnisse, besonders das Buch Kohelet, eine wichtige Rolle. Auch weitere Entwicklungen – etwa die Einführung von Papiergeld in China für das Ahnenopfer im Mittelalter und der Widerstand der Reformation gegen die Monetisierung des Glaubens im Ablasshandel – wurden historisch und systematisch aufgearbeitet.

Eine innerdeutsche und innertheologische Konsultation zum Thema „Geld und Geldmetaphorik in den biblischen Überlieferungen“ ging diesem Projekt voraus. Die Beiträge dazu wurden im Jahrbuch Biblische Theologie (Band 21, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2006) unter dem Thema „Gott und Geld“ dokumentiert. Es zeigt sich z. B., dass der zum Schlagwort gewordene Dual „Gott oder Mammon“ nur zweimal in der Bibel vorkommt bei etwa 300 weiteren inhaltlich relevanten Aussagen über Geld und Geldmetaphorik.

Deutsch-Chinesische Konsultationen (z.B. on Concepts of "Law and Love")

Auf das rasante Wachstum des Christentums in China und das zunehmende Interesse an theologischen Fragestellungen an chinesischen Universitäten hat das Heidelberger Forschungszentrum für Internationale und Interdisziplinäre Theologie (FIIT) durch den Ausbau von Kontakten zu chinesischen Institutionen und Wissenschaftlern, die an religionswissenschaftlichen und theologischen Fragestellungen interessiert sind, reagiert. Seit 2006 finden jährlich Kolloquien von Mitgliedern des FIIT mit chinesischen Religionswissenschaftlern und Philosophen aus China, Hongkong und Taiwan statt.

Die genannten Projekte wurden bzw. werden u. a. von der Fritz Thyssen Stiftung, der VolkswagenStiftung, der Ruhrkohle, der Evangelischen Kirche im Rheinland sowie der John Templeton Foundation finanziert.

Publikationen

  • M. Welker / G. Etzelmüller (Hg.), Concepts of Law in the Sciences, Legal Studies and Theology, Tübingen: Mohr-Siebeck 2013.
  • M. Welker (Hg.), The Depth of the Human Person. A Multidisziplinary Approach, Grand Rapids, Eerdmans 2014.
  • J. von Hagen / Michael Welker, Money as God? The Monetisation of the Market and its Impact on Religion, Politics and Ethics, Cambridge, Cambridge University Press 2014, Paperback 2016.

3. Images of the Divine and Cultural Orientations

Die Geschichte der Kulturen, insbesondere der westlichen Gesellschaften, ist in hohem Maße vom Zusammenwirken religiöser Überzeugungen und anderer sozialer Dynamiken und kultureller Muster geprägt. Diese Prägung ist durchaus ambivalent: Religionen können z. B. die Suche nach Recht, Gerechtigkeit und Wahrheit anregen und beleben, aber sie können auch Diskriminierung und Gewalt stützen. Von kulturwissenschaftlicher Seite ist in den letzten Jahren wiederholt bezweifelt worden, dass die großen monotheistischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam), die eine unbedingte Loyalität dem einen Gott gegenüber einfordern, überhaupt in der Lage seien, konstruktive Beiträge zur Gestaltung demokratischer und pluralistischer Gesellschaften zu leisten. Das Forschungsprojekt „Images of the Divine and Cultural Orientations“ will erkunden, wie die komplexen Beziehungen zwischen religiösen Überzeugungen und kulturellen Orientierungsmustern zu verstehen und zu deuten sind.

Diese komplexen Beziehungen sollen dabei unter Beachtung und intensiver Ausleuchtung der internen Logiken der religiösen Überzeugungen einerseits und andererseits mit einer ausgeprägten Sensibilität für die Komplexität kultureller Dynamiken in pluralistischen Gesellschaften, die global miteinander interagieren, rekonstruiert werden. Sowohl die internen Logiken der religiösen Überlieferungen als auch die Komplexität der kulturellen Prozesse nötigen dazu, typisch moderne Denkformen in Theologie und Kulturwissenschaften zu problematisieren. Um soziale Kohäsion auszubilden, hat modernes Denken oftmals schlicht die Einheit Gottes und die abstrakte Gleichheit aller Bürger betont. Angesichts der globalen Entwicklungen können diese Denkformen aber nicht leisten, was sie einst zu leisten versprachen. Gegenwärtig besteht nicht nur die Notwendigkeit, Formen zu entwickeln, die es erlauben, religiöse Pluralität zu verstehen und lebensförderlich zu gestalten, sondern auch die Aufgabe, das bestimmten religiösen Traditionen eingeschriebene Orientierungswissen freizulegen und für gegenwärtige Diskurse zu übersetzen und nutzbar zu machen.

Das Projekt führte Forscherinnen und Forscher verschiedener Fachrichtungen aus Deutschland (Berlin, Heidelberg und Tübingen) und den USA (Chicago, Harvard, Yale) zusammen, um neue und weiterführende Erkenntnisse in der historischen, politischen, moralischen und theologischen Erforschung der Interaktion von religiösen Überzeugungen und sozialer Praxis zu gewinnen. Das Projekt wurde gefördert von der Zukunftsoffensive IV des Landes Baden-Württemberg.

Publikationen

  • Hg., mit William Schweiker, Images of the Divine and Cultural Orientations: Jewish, Christian, and Islamic Voices, Leipzig: EVA 2015.